Die Wurzeln des Shobukan Inyo-Ryu Battojutsu
Das Shobukan Inyo-Ryu Battojutsu ist ein moderner Stil des japanischen Schwertkampfes, der in Deutschland entwickelt wurde – und gleichzeitig tief in den klassischen Waffentraditionen verwurzelt ist. Der Stil verbindet technische Präzision mit pragmatischer Anwendbarkeit und setzt auf eine lebendige Auseinandersetzung mit Geschichte, Etikette und der Verantwortung im Umgang mit der Waffe.
Herkunft und Einflusslinien
Gegründet wurde Shobukan Inyo-Ryu in den 1970er/80er Jahren von Hans-Jürgen Eul in Herne (NRW). Ursprünglich entstand der Stil als Teil eines umfassenden Systems, das Ju-Jutsu-Do mit Elementen des Karate und traditionellen Waffenkampfs (Kobu-Jutsu) verband. Battojutsu – die Kunst des Schwertziehens und Schneidens – entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem eigenständigen Trainingsschwerpunkt.
Wesentliche Einflüsse stammen dabei aus dem Training bei Toshishiro Obata, dem Begründer des Shinkendo, sowie aus der Toyama-Ryu-Tradition. Letztere wurde ursprünglich für Offiziere der japanischen Militärakademie Toyama entwickelt und zeichnet sich durch praxisnahe, direkte Techniken aus. Ergänzt wird der Stil durch Einflüsse aus dem Eishin-Ryu, insbesondere durch das Werk „Flashing Steel“ von Shimabukuro und Pellman.
Bedeutung von „Shobukan“ und „Inyo“
„Shōbukan“ ( jap. 尚武館 ) bedeutet wörtlich etwa „Haus der Kampfeskuns“. Der Begriff „Inyo“ ( jap. 陰陽 ) – oft auch als Yin und Yang bekannt – steht für Gegensätze wie Geben und Nehmen, Hart und Weich, Angriff und Rückzug. Diese Gegensätzlichkeit prägt nicht nur die Techniken, sondern auch die innere Haltung: Ein gegenseitiges Lernen von Lehrenden und Lernenden, das Respekt, Anpassungsfähigkeit und Wachsamkeit erfordert.
Der Weg heute
Heute wird Shobukan Inyo-Ryu Battojutsu an verschiedenen Standorten in Deutschland unterrichtet, unter anderem in Bayerisch-Eisenstein, Braunfels, Bochum und Siegen. Die Schulen teilen eine gemeinsame Prüfungsordnung, Trainingsphilosophie und Etikette – gleichzeitig wird Raum für individuelle Schwerpunkte und Weiterentwicklung gegeben.
Die Grundidee bleibt dabei erhalten: Tradition bewahren, Verantwortung leben, Technik mit Geist verbinden.
Die Philosophie des Shobukan Inyo-Ryu Battojutsu
Im Shobukan Inyo-Ryu Battojutsu geht es um mehr als Technik. Der Stil versteht sich als ganzheitlicher Weg – als Kampfkunst im klassischen Sinn, die Körper, Geist und Haltung miteinander verbindet. Im Zentrum stehen Achtsamkeit, Verantwortung und das stetige Streben nach innerem und äußerem Gleichgewicht.
Geben und Nehmen – das Prinzip „Inyo“
Der Begriff „Inyo“ steht für das Spiel der Gegensätze – ähnlich wie Yin und Yang. Im Training bedeutet das: Nicht nur der Trainer gibt, und der Schüler nimmt. Sondern: Der Trainer gibt weiter und lernt selbst dazu, der Schüler nimmt auf und teilt seine Erfahrungen. Diese Haltung prägt das Miteinander im Dojo – unabhängig von Graduierung oder Erfahrung.
Etikette als Haltung, nicht als Show
Verbeugungen, Begrüßungsrituale und Disziplin sind keine leeren Gesten. Sie schaffen Klarheit, Respekt und Sicherheit im Umgang mit der Waffe – und im Umgang miteinander. Wer sich verbeugt, tut dies nicht nur vor einem Lehrer oder einem Gegenüber, sondern auch vor dem eigenen Anspruch, mit Präsenz und Verantwortung zu trainieren.
Disziplin bedeutet dabei nicht Gehorsam, sondern Achtsamkeit. Und Respekt beginnt bei der Art, wie man zuhört, wie man korrigiert – und wie man mit Fehlern umgeht.
Kampfkunst ohne Kriegspathos
Shobukan Inyo-Ryu versteht das Katana nicht als Symbol für Gewalt oder Überlegenheit, sondern als Werkzeug zur Schulung von Geist und Körper. Der Schwertkampf soll keine Gewalt verherrlichen, sondern den Ernst des eigenen Handelns bewusst machen. Jede Technik wird mit klarem Kopf, mit Konzentration und mit der Frage geübt: „Was tue ich hier – und warum?“
Der moderne Weg: Tradition als Grundlage, nicht als Fessel
Trotz tiefer Wurzeln in japanischen Stilen geht es im Shobukan Inyo-Ryu nicht darum, Altes blind zu bewahren. Tradition wird hier als Rahmen verstanden, in dem Neues wachsen darf – angepasst an heutige Lebensrealitäten, rechtliche Rahmenbedingungen und individuelle Fähigkeiten. So bleibt die Kunst lebendig, zugänglich und offen für neue Ideen.
Ein Weg für Körper und Geist
Das Training fördert Haltung, Koordination, Reaktionsvermögen und Konzentration. Aber auch die Fähigkeit, sich auf den Moment zu fokussieren, klare Entscheidungen zu treffen – und mit Rückschlägen konstruktiv umzugehen. Wer lange trainiert, weiß: Man ist nie „fertig“. Jede Technik kann man verfeinern, jede Bewegung neu entdecken. Und genau das ist der Kern der Kampfkunst – ständige Entwicklung.